Direkt zu den Inhalten springen

Podiumsdiskussion: Neue (Haus)-Ärzte braucht das Land

Aktuelles Veranstaltung

Helmut Burkhardt, Kreisvorsitzender des SoVD für die Region Kusel, hatte ein hochkarätiges Plenum aus der Politik und vor allem der Ärzteschaft zu einer Podiumsdiskussion des SoVD eingeladen und die meisten waren seiner Einladung gefolgt. Im gut besuchten Gemeindehaus von Hoppstädten diskutierte man am 24. Juni über die Zukunft der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum.

Veranstalter und Diskussionsteilnehmer*innen

Durch die Diskussion führte souverän der Landesgeschäftsführer des SoVD Rheinland-Pfalz/Saarland, Christian Dirb, der zu Beginn der Diskussion auf die derzeitige Situation der Hausarztquote im Kreis Kusel von 63,6 Ärztinnen und Ärzten pro 100.000 und die statistische Überalterung der ansässigen Hausärztinnen und -ärzte hinwies und die Frage stellte, wie es zukünftig mit der weitergehen kann.

Daniel Stich, Ministerialdirektor im rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium erachtet eine grundsätzliche Strukturänderung von Nöten und hält es vor allem für notwendig, die Hausärztinnen und -ärzte durch personelle und technische Assistenz zu entlasten, ohne sie zu ersetzen, um eine bestmögliche Erreichbarkeit zu erzielen. Seiner Meinung nach sei die Zeit der Modellprojekte vorbei und man müsse in die Umsetzung gehen, ggf. auch durch eine Erweiterung der Krankenhausversorgung um ambulante Angebote.

Diskussionsbeiträge aus der Ärzteschaft

Der Ärztliche Direktor des Klinikums Idar-Oberstein, Dr. med. Ulrich Frey, hält letztere Idee für nicht umsetzbar. Es käme dann schlicht zu einer Mangelverschiebung, wenn ambulante Aufgaben auch in Krankenhäusern übernommen werden müssten, da dann das dort ohnehin auch schon dünne Personalgeflecht weiter belastet würde. Er berichtet davon, dass seine Krankenhausverwaltung schon jetzt massiv im Ausland durch eigene „Headhunter“-Aktivitäten rund 53 % der beschäftigten Klinikärztinnen und -ärzte angeworben hat. Viele der Fachkräfte durchliefen dann das umfangreiche Anerkennungsverfahren vor Ort und würden dann – sofern keine örtliche, z. B. familiäre Bindung bestünde – in die Ballungszentren Berlin und München abwandern.

Ein Kollege aus Aserbaidschan, Herr Dr. Abdullayev, berichtete über das mehrjährig zu durchlaufende Procedere und die Schwierigkeiten, die insbesondere viele Kollegen und Kolleginnen dazu brächten, wegzugehen. Er selbst ist mit seiner Ausbildung und den beruflichen Möglichkeiten allerdings sehr zufrieden.

Auch die Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. med. Barbara Römer, findet den zwischenzeitlich hohen Anteil von Hausärztinnen und -ärzten über 60 (rund 30%) äußert bedenklich und beschreibt das Problem der Nachwuchsfindung. Aus Mainz komme schlicht niemand in den ländlichen Raum, auch weil die Regionen gar nicht bekannt seien. Hier müsse auch Imagepflege betrieben werden. Die Arbeitsbedingungen junger Ärztinnen und Ärzte auf dem Land müssten sich den Wünschen der Ärzte anpassen, es gehe dabei nicht um Geld, sondern die Attraktivität der Rahmenbedingungen. Sie sieht die Zukunft in der Schaffung von größeren Einheiten, z.B. den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die sowohl angestellte als auch leitende Ärzte beheimaten.

Hiervon berichtet sehr anschaulich der Leiter des MVZ Pfälzer Land GmbH, Dr. med. Thomas Schneider, der mit der Gründung des MVZ auch im Nachgang zu den schrecklichen Ärztemorden in Weilerbach bei Kaiserslautern auf eine plötzliche Unterversorgung in seinem Gebiet reagieren wollte. Das hat sich nach und nach als Erfolgsmodell entwickelt. An aktuell neun Standorten „in der ländlichen Region um Kaiserslautern“ kümmern sich rund 20 Ärzt*innen mit fünf Weiterbildungsassisten*innen und zahlreichen Mitarbeiter*innen um die Belange ihrer Patient*innen. Er berichtet davon, dass man so allen Ärzt*innen, insbesondere auch den jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeiten bieten könne, sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren, geregelte Arbeitszeiten und Zeit für sich und die Familie zu haben.

Diskussionsbeiträge aus der Regionalpolitik

Der Landrat des Landkreises, Otto Rubly und der Leiter der Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein, Christian Sauer, berichteten anschaulich, welche Hürden man bei der Schaffung des Medizinischen Versorgungszentrums am Standort Wolfstein über mehrere Jahre hinweg zurückzulegen hatte, bis letztendlich auch die Finanzierung und mit den entsprechenden Ärzten die notwendigen Verträge geschlossen werden konnten. Beide betonten, dass die Schaffung der immer wieder geforderten „Rahmenbedingungen“ vor Ort nur bei auskömmlicher Finanzierung möglich ist, die durch die immer weiter an anderer Stelle auferlegten Sparzwänge in Zukunft sicher nicht mehr möglich sein wird.

Der Landtagsabgeordnete Dr. med. Oliver Kusch, selbst Inhaber einer Gemeinschaftspraxis, stellte heraus, dass die Landesregierung Projekte der Unterstützung forcieren wolle, insbesondere aber auch die vielen zusammenspielenden Systeme immer wieder zu Probleme führen würden und sieht nicht nur die Politik in der Pflicht. So sperrten sich z.B. auch die Krankenkassen vor Ort die Abrechnung von Assistenzkräften zu übernehmen, sodass teilweise eine nicht auskömmliche Finanzierung bereits der Innovation entgegenstünde. Auch er hält einen Systemwechsel für notwendig, bei dem die Aufgabenstellungen besser verteilt werden.

Der Bundestagsabgeordnete für den Kreis, Matthias Mieves, geht davon aus, dass alleine die Zahl der Menschen im System die Probleme nicht aus dem Stand lösen können und verschiedene Arbeitsmodelle (wie in den MVZ), der kontinuierliche Ausbau der Nutzung der technischen Möglichkeiten als Teil der Zusammenarbeit über große Räume hinweg zwingend voranzubringen sei. Für ihn soll bei allen Planungen die Versorgung der Menschen im Mittelpunkt stehen. Dass die Digitalisierung gerade im ländlichen Raum immer wieder an seine Grenzen stößt, stellte eine Besucherin im Rahmen ihres Redebeitrags anschaulich dar. Wenn das Telefon mehrere Tage gar nicht, Internet nur mit Kriechgeschwindigkeit funktioniert, dann grenze die angebliche Innovation die Menschen vor Ort genauso aus.

Schlußfolgerungen aus der Diskussion

Einhellig wendeten sich insbesondere die anwesende Medizinerin und die Mediziner gegen die immer weiter voranschreitende Öffnung für nicht-medizinische Investoren, die gerade in den Regionen weit weg von Ballungszentren nicht den gleichen Profit erwarten könnten. Man war sich einig, dass Monopolstrukturen im ambulanten medizinischen Versorgungsbereich nachdrücklich verhindert werden müsse.

Eine Unterstützung durch Digitalisierung kann nur dort gelingen, wo die Infrastruktur vorhanden und für Ärzte und Patienten nutzbar gemacht wird. Das muss nicht erst bei komplizierten Applikationen, sondern bei einfachen Dingen, wie elektronischer Post, alltäglichen Fragestellungen (Was bringt mir Digitalisierungen, wenn ich z. B. für ein Folgerezept keine E-Mail schicken darf, niemanden telefonisch erreiche und mich dann eben doch eine Stunde in die Praxis setzen muss?) beginnen und auch kundenorientiert gedacht werden.

Im Ergebnis zeigte sich, dass die ambulante ärztliche Versorgung ein hochkomplexes Thema ist, bei dem viele Akteure (Hausärzteschaft, Kassenärztliche Vereinigung, Politik, Krankenkassen, Patienten, u.v.m.) zwar dem Grunde nach das Problem erkannt und eine Lösung beabsichtigen, aufgrund der Interessenlage allerdings für sich alleine eine Lösung nicht abschließend erarbeiten können. Zusammenarbeit ist hier gefragt, wie das Beispiel MVZ in Wolfstein zeigt. Inwieweit hier dann allerdings eine Ärztin oder ein Arzt sich im ländlichen Raum niederlässt, das bleibt im Rahmen der Berufsfreiheit jedem selbst überlassen und ist die größte Unbekannte.

Impressionen